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PHIL SHOENFELT
Interview with INFOMUSIC (D), 1999

Prag ist groß genug um kosmopolitan zu sein und klein genug um ein künstlerisches und musikalisches Zentrum zu haben

Warum hast Du Prag als Deinen Wohn-und Arbeitsort gewählt, und nicht beispielsweise eine der größeren Städte in Großbritannien?

Ich habe 1994 eine Tour durch die Tschechische Republik gemacht, und mochte das Land sofort. Auf dem letzten Konzert dieser Tour habe ich meine jetzige Freundin Jolana getroffen, und dann bin ich im August 1995 von London nach Prag gezogen. Ganz ehrlich, in London zu leben, hat mich gelangweilt. Ich habe von 1979-1984 in New York gelebt, und dann von 1984-1995 in London. Ein Ortswechsel war also fällig. Prag ist groß genug um kosmopolitan zu sein, und klein geung um ein künstlerisches und musiklaisches Zentrum zu haben. Ausserdem ist es übersichtlicher, und die Lebenshaltungskosten sind immer noch recht niedrig, so daß es möglich ist, von der Musik zu leben ohne nebenbei noch täglich 10-Stunden zu arbeiten um die Miete bezahlen zu können. Das ist sehr wichtig wenn man Live-Musk macht.

Welche Vorteile hat es, in Osteuropa zu leben, weit weg vom ''Big Buzz'' und auch von den Medien?

Eben diese Tatsache, daß Prag weit weg ist vom ''Big Buzz'' und den Medien. Die Musikszene in England ist sehr an die neuesten Trends und Moden gebunden. Alle 6 Monate braucht man einen neuen Hype. In Prag leben 40.000 Amerikaner und auch viele Engländer, und obwohl die Leute die neuesten Musiktrends kennen, wird ihre Meinung nicht so stark von den Medien geprägt. In Prag zu leben gibt mir die Möglichkeit, die Musik zu machen die ich mag, ohne den Druck, mich musikalisch dem neuesten Trend anzuschliessen.

Möchtest Du damit Deine Position als ''Outlaw'' unterstreichen?

Nein, das war ein natürlicher Prozess, angetrieben von den obengenannten Gründen.

Du warst oft mit Nick Cave auf Tour, und es gibt auch musikalische Parallelen zwischen Deinem und seinem letzten Album, hast Du noch Kontakt zu ihm?

Ich kenne Nick seit ich ihn 1982 in New York traf und dann wieder in London. Wir sind nicht die dicksten Freunde oder sowas, aber wir kennen uns und er hat mir in den frühen 90ern geholfen als er mich als Support mit auf seine Tour in Großbritannien nahm. Das letzte Mal habe ich ihn vor 2 Wochen gesehen, als er zusammen mit ''The Dirty Three'' und Susan Strenger (Band Of Susans) ein Konzert in Prag spielte.

Hast Du jemals darüber nachgedacht, ein Album zusammen mit ihm aufzunehmen?

Nein. Wir haben darüber niemals diskutiert, aber ich habe 1989 eine 12''single (''Charlotte's Room'' / ''The Long Goodbye'') gemacht, die von Tony Cohen produziert wurde. Er ist der Produzent von den ''Bad Seeds'' und ein musikalisches Genie.

In Deiner Musik sind Country-Einflüsse zu hören. Inwieweit beziehst Du die Musik anderer Künstler in Deine Arbeit mit ein?

Ja, da sind Country-Einflüsse in meiner Musik, aber nicht ''straight'' Country oder ''neuer Country'' oder wie man sowas nennt. Vielleicht Country in dem Sinne, daß es sehr melodisch ist, und ich mich sehr von biblischen Bildern beeinflussen lasse. Aber ich bin auch sehr interessiert daran, mit Klangmustern und ''multi-layered F.X.'' zu ''spielen''. Als Teenager habe ich sehr viel Delta Blues gehört (Robert Johnson; Son House; Charlie Patton, etc.), und später dann Bands wie The Velvet Underground und The Stooges. Auch Leonard Cohen hat mich beeinflusst. Später kamen dann noch Sachen wie Joy Division und New Yorker Noise-Experimente wie Sonic Youth, Glenn Branca und die Swans.

Alle Texte auf Deinem Album ''Dead Flowers'' gehen von der Perspektive des Sängers aus. Siehst Du Dich als einen modernen ''Geschichtenerzähler'' in alter Tradition?

Ja, die Texte sind zumeist in der ersten Person geschrieben, aber manchmal ist diese erste Person auch NICHT Phil Shöenfelt. In anderen Worten: Ich versetze mich in Rollen und Personen wenn ich schreibe. Der erste Song der neuen CD ''Ballad of Elijah Cain'' ist ein Beispiel dafür. Ich versuche so, eine multidimensionale Perspektive zu bekommen, die offen für verschiedenste Interpretationen ist. Ja, ich bin ein Geschichtenerzähler.

Warum hast Du in ''Dead Flowers'' ein Gedicht von Andrew Marvell benutzt?

Das Gedicht von Andrew Marvell ist eines meiner Lieblingsgedichte in der englischen Sprache. Der Text ist so schwer, sehr düster, gothisch, und ich wollte Musik schreiben, die dieses Gefühl widergibt. Das 17. Jahrhundert, als dieses Gedicht geschrieben wurde, war höchstwahrscheinlich der Höhepunkt in der Entwicklung der englischen Sprache.

Du arbeitest auch als Autor. Welcher Teil Deiner Arbeit ist wichtiger für Dich?

Ja, ich habe 2 Bücher geschrieben und veröffentlicht: ''Junkie Love'' und ''The Green Hotel''. ''Junkie Love'' ist eine autobiographische Erzählung, die zwischen 1986 und 1988 in London spielt. Im Moment ist davon nur eine tschechische Übersetzung erhältlich, aber nächstes Jahr oder im Frühjahr 2001 wird das Buch auch in englisch veröffentlicht, von ''Twisted Spoon'', einem amerikanischen Publisher mit Sitz in Prag. ''The Green Hotel'' ist eine Hardback-Ausgabe in englisch/tschechisch, und enthält eine Sammlung von Songtexten, Gedichten und Photographien. Die Musik und das Schreiben sind beide gleich wichtig, obwohl ich mich im Moment mehr der Musik widme. Momentan arbeite ich an einer längeren Erzählung, die in New York spielt.

Welche Künstler und Autoren haben Dir erste Inspirationen gegeben, die Dich dann auch selbst zum Musik machen und schreiben angeregt haben?

Das habe ich schon erwähnt, ich mochte immer schon Sänger die auch geschrieben haben: Cohen, Morisson, Dylan, Reed, Cale, Cave... Als erstes habe ich aber angefangen alte Blues-Platten und English-Folk auf der Gitarre zu spielen.

Das Internet: Nutzt Du es als Werkzeug für musikalische Aktivitäten und auch privat?

Ich habe das Internet noch nicht richtig verstanden. Vielleicht leide ich an ''Technophobie''! Ich denke es ist ein nützliches Werkzeug, aber es ist nicht die Antwort auf die Frage nach dem Rätsel der Existenz!

Hast Du jemals darüber nachgedacht, Deine Musik selbst als MP3 übers Internet zu vetreiben?

Pavel, unser Bassist, interessiert sich sehr für Computer, er ist immer auf dem aktuellsten Stand was neue Technologien angeht. Er macht unsere Homepage und ich bin sicher, er hat sich auch schon neue Strategien überlegt. Vielleicht sollte man ihn also eher danach fragen, aber grundsätzlich interessieren mich die Möglichkeiten die das Internet bietet schon.

Was sind Deine 3 Milleniums-Alben?

Ist das wie diese ''einsame Insel''-Frage? O.K.
1. ''Funhouse'' - The Stooges
2. ''White Light, White Heat'' - The Velvet Underground
3. ''Your Funeral, My Trial'' - Nick Cave & The Bad Seeds

Was solte nach Deiner Meinng im nächsten Jahrtausend auf der Welt besser gemacht werden?

Tut mir leid, daß ich pessimistisch bin, aber ich denke es ist zu spät, die Zeit ist schon zu weit gegangen. Aber im unwahrscheinlichen Fall, daß alle, unsere sogenannten Führer miteingeschlossen, plötzlich aufwachen sollten.... Der Reichtum sollte entlang der Nord-Süd-Achse neu aufgeteilt werden, keine Steuern mehr auf Darlehen an die Dritte Welt-Länder...ernsthafte Kontrolle von Umweltverschmutzung und Müllaufkommen...ein Ende der Werbeindustrie, die nur falsche Hoffnungen und Bedürfnisse weckt....die Liste ist endlos...

Eine letzte Frage über Prag: Wo haben Besucher die Chance Phil Shöenfelt zu treffen und ein Bier mit ihm zu trinken?

Vielleicht in einer Bar in Zizkov, dem interessantesten Teil von Prag, da wo sich über 20 Pubs in unmittelbarer Nähe von meinem Haus befinden. Wahrscheinlich im ''Palace Akropolis'', auch in Zizkov, und der beste Ort für Live-Musik in Prag!!







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